KNUT MELLENTHIN

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Wer steckt hinter dem "Komitee zur Befreiung des Irak"?

In Washington hat vor kurzem ein "Committee for the Liberation of Iraq", Komitee zur Befreiung des Irak (CLI), die Arbeit aufgenommen. Das CLI will, wie es auf seiner Internetseite heißt, "aufklärende und werbende Anstrengungen unternehmen, um US-amerikanische und internationale Unterstützung für eine Politik zu mobilisieren, die darauf abzielt, die Aggression Saddam Husseins zu beenden und das irakische Volk von der Tyrannei zu befreien. Das Komitee ist entschlossen, über die Befreiung Iraks hinaus weiterzuarbeiten am Wiederaufbau der irakischen Wirtschaft und der Durchsetzung von politischem Pluralismus, demokratischen Institutionen und der Herrschaft des Rechts."

Die führenden Personen des CLI sind Teil eines "neokonservativen" Netzwerks, das in der US-Regierung vor allem durch Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, seinen Stellvertreter Paul Wolfowitz, Staatssekretär Douglas Feith und Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice repräsentiert ist.

CLI-Vorsitzender Bruce P. Jackson ist Präsident des U.S. Committee on NATO, einer von der Rüstungsindustrie und osteuropäischen Staaten finanzierten Pressure Group für die Ost-Erweiterung der NATO. 1979 bis 1990 war Jackson Mitarbeiter des militärischen Geheimdienstes der USA. 1993 wurde er Vizepräsident für Strategie und Planung beim Rüstungskonzern Lockheed Martin Corporation; seit August ist er im Ruhestand.

CLI-Geschäftsführer Randy Scheunemann ist Präsident des Project on Transitional Democracies, einer Organisation, die sich mit politischer und finanzieller Einwirkung auf die Staaten Osteuropas beschäftigt, und Direktoriumsmitglied des US Committee on NATO. Er unterhält seit Jahren enge Kontakte zur irakischen Opposition. Der Iraq Liberation Act von 1998, mit dem sich die US-Regierung zur Unterstützung der irakischen Opposition bekannte und dieser 98 Millionen Dollar Unterstützung zusagte - wovon bisher aber nur ein kleiner Teil ausgezahlt wurde - gilt wesentlich als Werk Scheunemanns.

Im beratenden Vorstand des CLI, dessen Vorsitz der frühere Außenminister George Shultz (1982-89) übernommen hat, sind gleich zwei Männer zu finden, denen Kriegsverbrechen vorgeworfen werden: Bob Kerrey, ehemaliger Senator aus Nebraska, war im Vietnamkrieg Kommandant einer Einheit, die am 25. Februar 1969 im Dorf Than Phong Frauen und Kinder erschoss. General Barry McCaffrey war im ersten Irak-Krieg verantwortlich für die barbarische Beschießung und Bombardierung der gemäß der UNO-Resolution aus Kuwait abziehenden irakischen Truppen am 26. und 27. Februar 1991. Auf dem "highway of death" starben damals Tausende, vielleicht sogar Zehntausende.

Weitere Militärs im CLI-Vorstand sind General Wayne A. Downing, während des Irak-Kriegs 1991 Leiter des Kommandos der Special Forces, und General Buster Glosson, der für die Planung des Luftkriegs gegen den Irak zuständig war.

CLI-Vorstandsmitglied Richard Perle gilt als Kopf der Kriegstreiber in Washington. Er ist Vorsitzender des mächtigen Defense Policy Board, des Beratergremiums im Verteidigungsministerium. Außerdem nimmt er führende Positionen in vielen Organisationen ein, die heute zum Krieg gegen den Irak drängen. Darunter das Committee on NATO sowie das Jewish Institute for National Security Affairs (JINSA) und das Washington Institute for Near East Policy, die beide zur pro-Israel-Lobby gehören. Weitere führende JINSA-Leute im CLI-Vorstand sind der frühere Kongressabgeordnete Stephen Solarz, Jeane J. Kirkpatrick, 1981-1985 Vertreterin der USA in der UNO, und James Woolsey, CIA-Chef unter Clinton, jetzt Mitglied des Defense Policy Board.

Ebenfalls im CLI-Vorstand:

  • Thomas A. Dine, Präsident des Propagandasenders Radio Free Europe/Radio Liberty. 1980-1993 war er Chef der offiziellen pro-Israel-Lobby AIPAC.
  • Newt Gingrich, ehemaliger Sprecher des Repräsentantenhauses, jetzt Mitglied des Defense Policy Board. Er galt während seiner Abgeordnetenzeit als engster Verbündeter des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu im US-Kongress.
  • Eliot Cohen, Militärexperte. Er leitete 1991-1993 die Arbeit an der offiziellen Studie über den Luftkrieg gegen den Irak und ist jetzt Mitglied des Defense Policy Board.

Das CLI soll offenbar ähnliche Funktionen übernehmen wie im ersten Irak-Krieg 1991 die mit kuwaitischen Öl-Millionen opulent ausgestattete Gruppe "Citizens for a Free Kuwait". Damals wurde die größte PR-Agentur der USA, Hill & Knowlton, beschäftigt, und es soll sich um den bedeutendsten Einzelauftrag gehandelt haben, den diese Firma jemals an Land ziehen konnte. Berüchtigt wurde die damalige Kampagne vor allem durch die Propagandalüge, die Iraker hätten bei der Besetzung Kuwaits Babies aus den Brutkästen geworfen und auf dem Boden sterben lassen. Hill & Knowlton ließ eine 15-Jährige als angebliche Augenzeugin auftreten - die Tochter des kuwaitischen Botschafters in Washington, wie sich später herausstellte.

H&K übernimmt ansonsten Aufträge von der Tabak-Industrie, von AKW-Betreibern, von der katholischen Bischofskonferenz (Anti-Abtreibungs-Kampagne), von der Scientology Church und der Moon-Sekte, oder von Regierungen, die in der amerikanischen Öffentlichkeit Image-Probleme wegen Menschenrechtsverletzungen haben.

Auch im Fall des Irak winkt jetzt wieder ein fetter Etat: Erstens sind da die durch den Iraq Liberation Act von 1998 freigegeben 98 Millionen Dollar, von denen erst ein kleiner Teil ausgezahlt wurde. Aber das sind nur Peanuts, verglichen mit den 1,6 Milliarden Dollar aus irakischem Besitz, die seit 1990-91 "eingefroren" auf Konten in den USA und Großbritannien liegen. Die Anti-Saddam-Loby verlangt seit Jahren, dies Geld zur Finanzierung der irakischen Opposition und einer zu bildenden Exil- oder Übergangsregierung freizugeben.

Knut Mellenthin

Neues Deutschland, 2. Dezember 2002